von Krishna Premarupa Dasa
Die weltweit größte (religiöse) Zusammenkunft
Rund 400 Millionen Menschen werden zwischen 13. Januar und 26. Februar 2025 in Prayag erwartet! Die Kumbh Mela gilt als die größte Zusammenkunft von Menschen weltweit. 45 Tage dauert dieses gigantische religiöse Fest, welches Menschen auf der ganzen Welt fasziniert. In den letzten Tagen konnten wir in den Nachrichten und auf Social Media beeindruckende Bilder dieses Mega-Events sehen.
Am auffälligsten sind sicherlich die Naga Babas, die nackten Asketen! Ihre Körper sind mit Asche eingerieben und sie tragen Rudraksha-Ketten um den Hals. Mit verfilzten langen Haaren, einem Wanderstab und einem Bettelgefäß in der Hand, haben sie oft eine beeindruckende Ausstrahlung – manche wirken auch furchteinflößend. Einige tragen Totenköpfe um den Hals oder sind mit Schwertern bewaffnet. Man sieht sie häufig in großen Gruppen, zu Fuß oder reitend auf Kamelen, Pferden oder sogar Elefanten. Muschelhörner ertönen, Mantras werden rezitiert, Trommeln geschlagen.

Nicht weniger beeindruckend und ebenso wichtig sind die vielen Sadhus und Heiligen der verschiedenen spirituellen Traditionen. In orangefarbene Gewänder gehüllt und mit verschiedenen Formen von Tilaka geschmückt, werden sie auf Sänften getragen oder in geschmückten Kutschen gefahren, umringt von Tausenden Schülern und Schaulustigen.
Unter all den Yogis, Asketen und Heiligen mischen sich Millionen von gläubigen Hindus, die oft mit ihren gesamten Familien angereist sind. Groß und klein, alt und jung – viele kommen von weit her, um für ein paar Tage Teil des größten und bedeutendsten religiösen Ereignisses zu sein. Sie alle haben etwas gemeinsam: sie möchten sich läutern, von Sünden befreien und Moksha, die Befreiung, erlangen.
Doch was steckt hinter diesem großen Ereignis und wie steht die Bhakti Tradition dazu?
Das Wort Kumbh oder Kumbha bedeutet „Krug“ , „Gefäß“ und Mela bezieht sich auf „Zusammenkunft“ oder „Fest“. Die Kumbh Mela hat ihren Ursprung in der Geschichte des „Samudra Manthan“ (Rühren des Milchozeans) welche im Srimad Bhavatam, im achten Canto beschrieben wird.
In dieser Erzählung kämpften Devas (Halbgötter) und Asuras (Dämonen) um den Nektar der Unsterblichkeit, der im Ozean verborgen war. Als der Nektar schließlich erschien, entbrannte ein Streit darüber, wer ihn erhalten sollte. Während des Kampfes fielen vier Tropfen des Nektars auf die Erde und landeten an den Orten, die heute die Kumbh-Mela-Stätten sind: Prayagraj (Allahabad), Haridwar, Ujjain und Nashik. Diese Orte gelten daher als besonders heilig. Die Kumbh Mela wird alle 12 Jahre gefeiert, wobei sich die Ereignisse nach einer speziellen astrologischen Konstellation richten. (*Zusätzlich gibt es die Ardh (halb) Kumbh Mela, die alle 6 Jahre stattfindet. So gibt es alle drei Jahre an einem der Orte eine kleinere oder größere Mela.) Die diesjährige Maha Kumbh Mela ist besonders, da die Sterne nur alle 144 Jahre so positioniert sind wie in diesem Jahr. In Prayag ist das heilige Bad besonders glücksverheißend, da hier am Triveni, drei Flüsse zusammenkommen: die Ganga, die Yamuna und die mystische Saraswati.
Kumbh Mela ist vor allem Sadhu-Sanga
Srila Prabhupada selbst besuchte die Kumbh Mela in Prayag mehrmals und betonte, was aus der Perspektive der Bhakti-Tradition der wichtigste Aspekt dieses Festes ist:
„Kumbh Mela bedeutet Sadhu-Sanga. Wenn du zur Kumbh Mela gehst, um Sadhu-Sanga zu erhalten, also einen gelehrten Heiligen zu treffen, dann ist dein Besuch der Kumbh Mela richtig."
Andernfalls: yat-tīrtha-buddhiḥ salile. Wenn jemand glaubt, allein das Baden sei der Sinn der Kumbha Mela, dann sa eva go-kharaḥ – ist er nicht besser als eine Kuh oder ein Esel. Der eigentliche Sinn der Kumbha Mela ist: ‚Hier versammeln sich heilige Personen, also lass mich ihr Wissen und ihre Gesellschaft nutzen.‘ Dann ist man intelligent. Die Kumbh Mela ist eine Versammlung wahrhaft gebildeter, heiliger Persönlichkeiten, und man sollte diese Gelegenheit weise nutzen.“ (*Giriraja Swami in „I`ll build you a Temple - The Juhu Story“, s. 424, BBT, 2020)
Diese Sichtweise wird auch von Bhaktivinoda Thakura (1838–1914) in seiner Liedersammlung Kalyana Kalpataru geteilt:
„Mein lieber Geist, du reist immer wieder zu heiligen Pilgerstätten in der Hoffnung, dich von materiellem Leid zu befreien. Doch diese Besuche stärken nicht die Entschlossenheit deines Herzens. All deine Wanderungen bleiben daher leere Mühe ohne greifbaren Nutzen. Der wahre Segen und die reife Frucht jedes Pilgerortes liegen in der Gemeinschaft mit reinen Gottgeweihten. Tatsächlich wird jeder Ort auf der Welt zu einem heiligen Pilgerplatz, wenn dort Gottgeweihte leben. Deshalb solltest du dich sogleich dorthin begeben, wo solche Gottgeweihten zu finden sind, und dich im Krishna-Bewusstsein verankern, indem du ständig in ihrer inspirierenden Gesellschaft verweilst.“
(*Bhaktivionda Thakur, „mana tumi tirthe sada rata“, Upadesh Song 14, Kalyana Kalpataru)
Aus diesen Lehren können wir verstehen, dass die wahre Reinigung des Herzens in der Gemeinschaft mit reinen Seelen stattfindet.
Doch hat das Baden im Ganges nicht auch seinen Wert?
Schließlich glorifizieren alle heiligen Schriften die Kraft ihres Wassers! Mutter Ganga gilt zweifellos als unendlich barmherzig, und ihre Herrlichkeiten sind grenzenlos. So heißt es beispielsweise im Kasi-Mahatmya:
„So wie eine Krankheit durch heilende Medizin zerstört wird, guter Charakter durch Gier, die Hitze des Sommers durch das Baden in einem See und wie ein Berg aus Watte durch einen kleinen Funken Feuer sofort zerstört wird, so werden alle Sünden allein durch die Berührung des Wassers der Ganga vernichtet.“ (*Kashi Mahatmya, Verse 61-62)
Auch Sri Caitanya Mahaprabhu nahm in seinen Navadvipa-Lilas täglich ein Bad in der Ganga und sprach:
„O Ganga Devi, dein Wasser ist der Nektar der reinen Liebe zu Gott. Schon allein durch das Aussprechen deines Namens wird hingebungsvoller Dienst zum Höchsten Herrn erweckt. Durch deine Barmherzigkeit erlangen die Lebewesen einen Geschmack am Chanten von Krishnas heiligen Namen.“ (*Zitiert im Buch „Our Merciful Mother Ganga“, Jaya Vijaya Dasa)
Es geht also nicht darum, die Herrlichkeit der Ganga zu minimieren, sondern vielmehr darum, die Bedeutung von Sadhu-Sanga und die Kraft der Bhakti hervorzuheben.
Im 6. Canto des Bhagavatam (Verse 1-19) finden wir im Gespräch zwischen Parikshit und Sukadeva weitere Antworten zu diesen Fragen. Parikshit, voller Mitleid mit den bedingten Seelen, fragte sich, wie sie von Sünde befreit werden könnten. Sukadeva antwortete, dass die Menschen Buße (Prayaschitta) auf sich nehmen sollten. Parikshit, als aufmerksamer Schüler, erkannte jedoch, dass sein Lehrer ihn prüfte, und argumentierte: Was nützt Buße, wenn die gleichen Handlungen später wieder begangen werden?
Parikshit verglich dies mit dem Baden eines Elefanten: „Manchmal wird auch jemand, der sehr wachsam ist, um keine Sünde zu begehen, erneut Opfer des sündigen Lebens. Deshalb halte ich diesen Prozess des wiederholten Sündigens und Büßens für nutzlos. Es ist wie das Baden eines Elefanten. Ein Elefant nimmt ein Vollbad, aber sobald er wieder an Land kommt, wirft er Staub über seinen Kopf und Körper, wodurch er sich sofort wieder beschmutzt.“
Was nützt es, wenn Menschen im Ganges ein Bad nehmen und von allen Sünden befreit werden, wenn sie im nächsten Moment wieder Sünden begehen?
Das Problem liegt darin, dass zwar die Reaktionen auf sündhafte Handlungen zerstört werden, die Neigung, so zu handeln, jedoch weiterhin im Herzen vorhanden ist. Schließlich erklärt Sukadeva, dass es der Pfad der Bhakti ist, der die Kraft besitzt, nicht nur die sündhaften Reaktionen zu zerstören, sondern auch das Herz zu transformieren. Diese Sünden sind wie die vertrockneten Blätter von Schlingpflanzen unter einem Bambusbaum, die zwar vom Feuer verbrannt werden können, aber deren Wurzeln übrig bleiben, um bei der ersten Gelegenheit wieder zu wachsen.
Nur ein seltener Mensch, der vollkommenen und ungetrübten hingebungsvollen Dienst zu Krsna angenommen hat, kann das Unkraut sündhafter Handlungen ausreißen, ohne dass es wieder auflebt. Er kann dies tun, indem er einfach hingebungsvollen Dienst verrichtet, so wie die Sonne durch ihre Strahlen den Nebel sofort auflöst. Anmerkung: Der Begriff Sünde heißt im Sanskrit „Pāpa“, was wörtlich „das Schlechte“ oder „das Falsche“ bedeutet. Es bezeichnet die Reaktion auf Vikarma: Handlungen, die als unethisch, ungerecht oder gegen die Prinzipien von Dharma (kosmische Ordnung und Gerechtigkeit) angesehen werden.
Fazit: Das Herz wird nicht durch ein Bad gereinigt, sondern durch Bhakti-Yoga
Das Kumbh Mela ist zweifellos ein einzigartiger Anlass – ein äußerst kraftvolles Ereignis, eine Versammlung von Sadhus, und ein enorm glücksverheißendes und reinigendes Fest für die gesamte Menschheit. Wer daran teilnehmen kann, ist vom Glück begünstigt. Aus der Sicht der Bhakti-Tradition jedoch ist es nicht zwingend, daran teilzunehmen, da die Reinigung des Herzens in erster Linie durch die Gemeinschaft von Gottgeweihten und das Chanten des heiligen Namens erreicht wird.
Selbstverständlich kann ein Besuch am Kumbha Mela ebenfalls Ausdruck von Hingabe sein. So verteilen ISKCON Devotees zum Beispiel an der Mela täglich über 10.000 Teller Prasadam, Krishna dargebrachte Speisen. Auch viele andere spirituelle Institutionen widmen sich dem Dienst der Pilger und betrachten ihre Teilnahme als Seva und Hingabe.
Aus der Sicht des Bhagavat Purana ist es aber nicht erforderlich, auf glücksverheißende, astrologische Momente zu warten, um an einem heiligen Ort ein Bad zu nehmen. Vielmehr kann das gleiche Ergebnis der Befreiung und darüber hinaus die Liebe zu Gott durch das sorgfältige Praktizieren von Bhakti-Yoga erreicht werden. Transformation des Herzens geschieht nicht durch ein einmaliges Bad, sondern durch ein Leben in Hingabe. Wenn auch ein heiliges Bad, sicherlich nichts schaden kann!
Krishna Premarupa Dasa

Krishna Premarupa Dasa wurde 1977 in Zürich geboren. Seit 2001 lebt er als Mönch in der Krishna-Bhakti-Tradition. Neben seiner Tätigkeit in verschiedenen Führungspositionen innerhalb der ISKCON wirkt er als Bhakti-Shastri-Lehrer, Seminarleiter und Sprecher. Etwa sieben Monate im Jahr reist er, um das Krishna-Bewusstsein mit anderen zu teilen. Die restliche Zeit ist er im Krishna-Tempel Zürich anzutreffen. Weitere Informationen unter: www.krishnapremarupa.com
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